08. Februar 2017  00:00

Kommentieren

Teilnahmepflicht in der OGS

Erst um 15 Uhr ist Abholzeit

Fünfmal die Woche müssen die eigenen Kinder in der OGS bleiben. Das auch noch bis mindestens 15 Uhr. Da kommt Unmut bei vielen Eltern auf. Sie halten die Regelung für familienfeindlich. Doch ein verpflichtender Erlass der Landesregierung lässt eine größere Flexibilität bezüglich Teilnahmepflicht und Abholzeiten nicht zu.

Von Ellen Jost

Finley* ist in der 4. Klasse und besucht, da seine Mutter Martina Schäfers* im Schichtdienst arbeitet, nach dem Unterricht die Offene Ganztagsschule (OGS). Mittagessen, Hausaufgabenbetreuung sowie AG-Angebot, jeden Nachmittag.

Hat seine Mutter Frühdienst, könnte sie Finely bereits um 14.00 Uhr abholen. Doch das geht nicht, denn die Abholung ist erst ab 15.00 Uhr möglich. Bei dieser Regelung kommt nicht nur bei Schäfers Unmut auf. Eine private Elterninitiative aus NRW mit dem Namen „Eltern für familienfreundliche Offene Ganztagsschule“ (EFFOGS) ist gegen die Anwesenheitspflicht an fünf Wochentagen, jeweils bis 15 Uhr.

„ Sie geht an der Realität vieler Familien vorbei. Die OGS sollte doch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützen und nicht ersetzen. Schichtdienst, Teilzeit, Wochenendarbeit sind Modelle, die Arbeitnehmer freiwillig wählen oder arbeiten müssen. Das klassische Arbeiten von morgens bis nachmittags und dann von montags bis freitags findet doch immer seltener statt. Man hat auch mal in der Woche einen Tag frei oder früher frei ,und der sollte dann auch der Familie zustehen. Auch viele Freizeitveranstaltungen wie Sport, Musik, Ehrenamt oder Jugendarbeit finden nachmittags statt und nicht zwingend erst dann, wenn die OGS vorbei ist “, erklärt Christian Zehren, Mitbegründer der Initiative.

Man könnte sich fragen, warum die Offenen Ganztagsschulen so agieren, doch sie handeln nur nach dem Gesetz der Landesregierung.

Diese hatte 2010 einen Erlass verkündet, indem für die OGS-Teilnehmer eine Teilnahmepflicht an fünf Wochentagen festgeschrieben wurde.

Der Stadtsprecher der Stadt Gelsenkirchen, Martin Schulmann, erklärt: „In Gelsenkirchen haben wir uns im Rahmen der OGS-Betreuung bislang immer an der geltenden Rechtslage orientiert. Dies gilt auch für die vorgegebenen Betreuungszeiten. So findet die Betreuung in der OGS von montags bis freitags und mindestens bis 15:00 Uhr statt. 15:00 Uhr ist die erste Abholmöglichkeit für die Eltern. Sie können ihr Kind aber auch bis 16:00 Uhr in der OGS lassen.“

Zehren sieht da jedoch Schwierigkeiten: „Generell ist es fragwürdig, ob ein 7 -Jähriger eine 5-Tage- Woche mit einem 8-Stunden-Tag gut verpackt, wenn dann nachher noch Freizeitaktivitäten stattfinden sollen. Man könnte vermuten, das solche dann stark eingeschränkt werden. Freispiel, Zeit mit der Familie, Vereinsarbeit, Musikschule, Großeltern kommen zu kurz.“

Ein Argument, das jeder nachvollziehen kann, doch Schulmann sagt: „Vor 15:00 Uhr ist eine Abholung des Kindes nur für einen Arzttermin oder eine Teilnahme des Kindes an einer Sportgruppe oder einem musisch/künstlerischen Angebot außerhalb der OGS möglich. Hierfür legen die Eltern eine schriftliche Entschuldigung vor.“

Es stellt sich die Frage, warum die Teilnahme von Montag bis Freitag verpflichtend für die Kinder in der OGS ist und nicht die Eltern selbst entscheiden dürfen, wann sie ihr Kind aus der OGS abholen. Für Martina Schäfers ist eindeutig klar, das ihr die Entscheidungsgewalt genommen und von der Regierung vorgegeben wird, wann sie Zeit mit ihrem Sohn verbringen darf.

Der Erlass der Landesregierung zählt die Merkmale auf, warum es aus pädagogischer Sicht sinnvoll sei, feste Abholzeiten in der OGS durchzusetzen.       

Es gilt Förderkonzepte und –angebote für Schüler und Schülerinnen mit besonderen Bedarfen anzubieten.

Die OGS eröffnet zusätzliche Zugänge zum Lernen und Arbeitsgemeinschaften sowie zu sozialpädagogischen Angeboten. Auch bietet sie Möglichkeiten und Freiräume zum sozialen Lernen, für Selbstbildungsprozesse und für selbstbestimmte Aktivitäten.

„Die angegebenen Aufgaben sind mit einer sehr flexiblen und täglich wechselnden Abholung durch die Eltern nur sehr schwierig zu planen und umzusetzen“, berichtet Pressesprecher Schulmann.

Die Initiative will sich nun mit einer Online-Petition wehren, denn der Erlass der Landesregierung ist für sie nicht zeitgemäß: „Er geht an dem Ist-Zustand vorbei. Erfolgreiche Unternehmen arbeiten mit flexiblen Arbeitszeitmodellen und richten sich auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter ein. Von Arbeitnehmern wird oft absolute Flexibilität verlangt. Dann liegt es nahe, das auch die OGS flexibel reagiert. Es müssen alle an einem Strang ziehen und nicht jeder sein eigenes Ding machen“, bemerkt Christian Zehren.

Schulmann weiß: „ Die Einhaltung der festen Abholzeiten ist kein einfaches und immer wieder umstrittenes (Diskussions-)Thema für Eltern in den OGS vor Ort. Flexibilität in Ehren und aus Sicht der Eltern sicher verständlich, aber schnell driftet dies in Beliebigkeit ab.“

Eine alle zufriedenstellende Lösung wird es wohl beim Thema Teilnahmepflicht an fünf Tagen in der Woche nicht so schnell geben. Und letztlich liegt es in den Händen der Landesregierung, die Regelungen im Erlass bezüglich der Betreuungszeiten zu überarbeiten.

*Name von der Redaktion geändert



Bisherige Kommentare

Dieser Beitrag wurde bislang nicht kommentiert.



Artikel kommentieren

Ihr Name? (erforderlich)


Ihre E-Mail-Adresse? (erforderlich, wird nicht veröffentlicht)


Ihr Kommentar?



 
 

Hier ist es

InfoBox

Die Offene Ganztagsschule ist ein freiwilliges außerunterrichtliches Betreuungsangebot. Es findet nach dem Unterricht statt.

Die Bildung, Erziehung und Betreuung der Schüler und Schülerinnen durch die Erzieher und durch weitere Mitarbeiter zielt auf Stärkung und Stabilisierung der Persönlichkeitsentwicklung jedes einzelnen Kindes. Soziale Kompetenzen werden im Gruppenalltag eingeübt, beim Entwickeln von Konfliktlösestrategie werden die Kinder unterstützt.

Das Heranführen und Einhalten von Arbeits- sowie Gruppenregeln wird im Gruppenalltag eingeübt und zielt auf die Förderung der Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Kinder ab.

Träger der Einrichtungen sind zumeist freie Träger wie beispielsweise Arbeiterwohlfahrt, Diakonie oder Caritas.

Hier geht´s zur Online-Petition der Elterninitiative

Hier geht´s zum Grundlagenerlass

Ein Plakat der Initiative "Eltern für familienfreundliche Offene Ganztagsschule" (EFFOGS) mit dem sie auf ihre Online Petition aufmerksam machen will. Foto: EFFOGS

Ja, auch diese Webseite verwendet Cookies. Hier erfahrt ihr alles zum Datenschutz